"Scheiß Krüppelverein"

Am kommenden Samstag, 27.August endet für die Torfabrik Meschede das Kapitel ihrer Zweitligazugehörigkeit. Für schlechte Laune sorgt das nicht. Ganz im Gegenteil.

Seit 2001 nimmt die Torfabrik Meschede am Ligabetrieb des Behindertensportverbandes NRW teil. Nach langen Jahren in der 3.Liga stieg man im Jahr 2013 denkbar dramatisch in die Viertklassigkeit ab, um schon in der nächsten Spielzeit dank eines denkwürdigen Sturmlaufs wieder aufzusteigen. In der Spielzeit 2016 stand man erneut mit dem Rücken zur Wand, schaffte aber durch ein Fußballwunder biblischen Ausmaßes vor heimischer Kulisse doch noch den Klassenerhalt. Als das "Wunder vom Dünnefeld" ging dieser wilde Ritt in die torfabrikalischen Geschichtsbücher ein und war die Initialzündung für den sportlichen Erfolg der darauffolgenden Jahre. Binnen kürzester Zeit kamen zahlreiche neue und sehr gute Fußballer zur Torfabrik, so dass im Jahr 2017 der erstmalige Aufstieg in die 2.Liga gelang, wo man in der Folgesaison nicht nur den souveränen Klassenerhalt eintütete, sondern als Drittplatzierter gar an das Tor zur 1.Liga klopfte.

 

Was damals den sportlichen Erfolg brachte, verschaffte den Verantwortlichen gleichsam auch einiges an Kopfzerbrechen. Der Ehrgeiz und das Erfolgsstreben einzelner Spieler stand dem Bedürfnis der Mehrheit gegenüber, die weiterhin einfach nur in freundschaftlicher Atmosphäre und ohne Druck Fußball spielen wollte. Eine Reaktion darauf war die Gründung einer 2.Mannschaft, die seitdem in der 5.Liga antritt. Im wöchentlichen gemeinsamen Training diese beiden Interessengruppen zusammenzuführen, war eine echte Herausforderung. Auch abseits des Platzes entstanden immer wieder Nebenkriegsschauplätze, deren Befriedung dem ehrenamtlich tätigen Trainerteam mitunter den letzten Nerv raubte.

 

Der Ehrgeiz und die teilweise vorhandene Verbissenheit der einen sorgte dafür, dass manch anderer verdienter Spieler die Lust verlor. Gleichwohl hatten manche von den Besten keinen Bedarf daran, ständig mit angezogener Handbremse zu spielen und Rücksicht auf die Schwächeren zu nehmen. Neun Spieler wechselten den Verein. Einerseits verständlich, andererseits bitter. Zum Beispiel dann, wenn Rücktritte nach 5, 10 oder gar 20 Jahren kurz und bündig via Textnachricht durchgekabelt wurden. Aber so ist das wohl im modernen Fußballgeschäft. "Scheiß Krüppelverein" schob eine Luxus-Spielerfrau als Facebook-Kommentar noch hinterher und drohte, den DFB einzuschalten, wenn nicht sofort der Spielerpass ihrer unwesentlich besseren Hälfte ausgehändigt würde. Fast schon wieder lustig.

 

Spieler kommen, Spieler gehen. Auch dieser stete Wandel macht die Torfabrik Meschede letztlich zu einem "eigentlich ganz normalen" Fußballverein. Von der erfolgreichen Zweitligamannschaft der damaligen Tage stehen heute nur noch wenige Spieler in Diensten der Torfabrik. Überwiegend sind die verbliebenen treuen Seelen mittlerweile über 40 Jahre alt, haben das sprichwörtlich beste Fußballeralter also längst überschritten. Dass es bereits 2019 sportlich eng wurde, nachdem mehr als die Hälfte der Erstvertretung eine Woche vor dem Saisonstart abwanderte, war klar. Dank einer großartigen Mannschaftsleistung und der Rückkehr von Zusammenhalt und guter Laune wurde trotzdem nochmal die 2.Liga gehalten, was schon recht erstaunlich war.

 

Nach zwei coronabedingt ausgefallenen Spielzeiten ist die Torfabrik Meschede nun also noch immer Zweitligist. Der strategische Rückzug in die Drittklassigkeit ist jedoch beschlossene Sache, selbst wenn aufgrund der wegen Corona ausgesetzten Abstiegsregelung der Klassenerhalt nicht von der sportlichen Leistung abhängt. Dass die Torfabrikanten diesen ehrgeizigen Fußball jedoch nicht mehr spielen wollen und können, bestätigte die schwere Verletzung eines unserer Ü40-Spieler, der sich Anfang Mai diesen Jahres nur 5 Minuten nach Anpfiff des ersten Saisonspiels mit einem Wadenbeinbruch verabschieden musste. Hinzu kamen in anderen Spielen auch noch üble Beleidigungen und sogar eine Prügelei zwischen zwei Mannschaften, die zum Abruch eines Spiels führte. Das ist es nicht wert, beschloss die Mannschaft, und kündigte für das kommende Jahr bereits ihren Rückzug aus der jetzigen Spielklasse an. 

 

Trotzdem treten die Torfabrikanten nun noch ein letztes Mal in Liga 2 an und werden - bis dato punktlos und als Tabellenletzter - erneut mit Haltung durchs Feuer gehen. Besonders auch, um ein Zeichen für jenes Fairplay zu setzen, das - eigentlich - im Fußballbetrieb des Behindertensportverbandes stets selbstverständlich war. Dem ein oder anderen mag es vielleicht komisch vorkommen, aber alle freuen sich auf diesen Abstieg. Der letzte Spieltag der Saison bedeutet nämlich auch den Abschluss dieses nicht uneingeschränkt ruhmreichen Kapitels.

 

Zusammenhalt, Fairplay und die Rücksichtnahme auf Schwächere sind bei der Torfabrik Meschede wichtiger als der sportliche Erfolg oder die Ligazugehörigkeit. Bei der Torfabrik darf weiterhin jeder spielen, der den Fußball liebt, ganz egal wie gut er (oder sie!) kicken kann.  Der „Scheiß Krüppelverein“ macht weiter. Aus Liebe zum Spiel. Und weil Fußball für alle da ist.