Familie Becker vs. Torfabrik Meschede

Um ihren Sohn Dustin und seine Torfabrik zu besiegen, zieht Mutter Becker alle Register und schreckt auch vor fiesen Foulspielen nicht zurück. Im August steigt in Kallenhardt wieder das mit viel Mutterliebe veranstaltete "Familienduell".

 

Dustin Becker ist ein besonderer Spielertyp. Er hat den Antritt einer Wanderdüne und den Bewegungsradius eines Baukrans. Bei seiner Ligapremiere wird Dustin eingewechselt. Zwei Minuten lang steht er in der gegnerischen Hälfte und macht typische Fußballergesten. Pressen, verschieben, rotieren, auswechseln. Zur Verwunderung seiner Trainer aber rennt Dustin plötzlich vom Spielfeld und wechselt sich eigenmächtig wieder aus. „Hast gut die Räume zugestellt“, lobt ihn sein Coach, nachdem dieser das Geschehene für sich sortiert hat. Auch Dustin „Danger“ Becker ist mit seinem Kurzauftritt nicht unzufrieden.

 

Dustins ausgeprägte Easy-Going-Mentalität ist selbstverständlich Teil seines Handicaps. Er gehört zu den Spielern der Torfabrik Meschede, die in ihrem Leben immer auf Unterstützung angewiesen sein werden. Das Zusammensein mit Dustin bietet vielfältige Überraschungen. Seine Eltern Jinny und Uli Becker könnten Buchbände darüber schreiben und scheinen es mit relativ viel Humor zu nehmen. Als Jungtalent nahm Dustin am Trainingslager der Torfabrik teil, lernte die Mannschaft kennen, war begeistert und ist geblieben. Fußball ist Dustins große Leidenschaft und da er außerordentlich kontaktfreudig ist, dauerte sein Integrationsprozess maximal eine halbe Minute. Hilfreich war natürlich auch, dass Dustin sich mit seinen Mitmenschen fast ausschließlich über Fußball unterhält. Er vergisst zwar so einiges, aber nie etwas das mit Fußball zu tun hat. Erklären können seine Eltern sich das nicht.

Vater Uli ist Präsident des VfS Warstein und Handball eigentlich die vorherrschende Sportart im Hause Becker. Keine Frage, dass Dustin auch dort als oberster Fan bei jedem Spiel dabei ist. Das aktive Fußballspielen bei der Torfabrik hebt seine Hingabe aber nochmal auf eine ganz neue Ebene. Teil eines Teams zu sein, ist eine Erfahrung, die Dustin zuvor noch nicht gemacht hat. Eine tolle Sache für ihn. Schnell haben auch Jinny und Uli Becker die Torfabrik ins Herz geschlossen. „Immer nur mit der buckligen Verwandtschaft im Garten zu spielen, war ja auch langweilig“, sagt Mutter Jinny Becker. „Dustin ist ein begeisterter Fußballspieler. Auch wir waren sofort begeistert. Die Mannschaft ist nicht nur spielerisch toll, es sind auch klasse Typen.“ Gerne schauen Dustins Eltern mal auf ein Schwätzchen beim Training vorbei oder besuchen die Festivitäten der Mannschaft. „Dustin fühlt sich aufgenommen, ernst genommen und als Teil eines Ganzen. Das ist nicht nur für Dustin, sondern auch für uns Eltern wichtig und ein tolles Gefühl“, sagt Jinny Becker. Seit Dustin an Bord ist haben sich Beckers für die Torfabrik mächtig ins Zeug gelegt. Bei ihren legendären Glühweinabenden im Beckerschen Garten drehen Jinny und Uli Becker an den ganz großen Rädern. Livemusik, Parkplatzchaos und Polizeieinsätze inklusive. Kurz vor Weihnachten spenden Beckers den Erlös dieses Happenings für wohltätige Zwecke. Zum Beispiel an die Torfabrik.

 

Neben ihren Glühweinabenden hat Mutter Becker aus einer Laune heraus eine zweite fulminante Veranstaltungsreihe etabliert: das Familienduell. Eine unbedachte Äußerung über die Sporttauglichkeit seiner Mutter bescherte Dustin ein sportliches Duell mit ihr. Im Affekt beschloss Jinny Becker, mit dem Rest der Familie gegen die Torfabrik Meschede anzutreten, um ihren vorlauten Sohn zu besiegen. Gesagt, getan. Kurzerhand charterte sie das Dorfparkstadion in Kallenhardt und motivierte ihren Bekanntenkreis, sie bei ihrer Misson zu unterstützen. Herausgekommen ist ein tolles Fußballfest, bei dem Mutter Becker alles aufbietet, was Stammbaum und Freundeskreis hergeben. Der TV Kallenhardt hat das Fami-lienduell mittlerweile fest in seinen Veranstaltungskalender aufgenommen. Immer Anfang August findet es statt.

 

Bisher gab es für Dustin und seine Torfabrik dort nichts zu gewinnen. Jinny Becker hingegen hat es geschafft und ihren Sohn besiegt. Über ihrem Triumph schwebt jedoch der Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung. Es schienen beileibe nicht nur Blutsverwandte zu sein, die Mutter Becker aufbot. Die Landesliga-Handballer vom VfS Warstein als „entfernte Verwandte“ zu präsentieren, zeugt schon von Gerissenheit. Die Kritik prallt an ihr ab. „Ein toller Wanderpokal ist das. Wandert von einer Ecke unseres Wohnzimmers in die andere“, freut sie sich hämisch über ihren Coup. „Dustin darf den Pokal gerne anschauen. Aber nicht anfassen.“

 

Mit bösen Giftpfeilen schießt Mutter Becker seit geraumer Zeit auch gegen Torfabrik-Trainer Sebastian Nöckel. „Typisch Sozialarbeiter. Kann alles, aber nix richtig“, so ihr wenig mildes Urteil über den Mann, der ihren Sohn betreut. Mit Blick auf das nächste Familienduell orakelt sie bereits dessen Karriereende herbei. Ob Jinny Becker im Gegenzug und im Falle einer eigenen Niederlage ihr Amt als Mutter zur Verfügung stellen würde, wollte der Coach wissen. „Die Frage stellt sich nicht. Verlieren ist für mich keine Option“, sagt sie. Bis zum nächsten Sommer hat Jinny Becker nun also wieder Zeit, um ihren Ruf als unbarmherzige Unsympathin zu manifestieren und mit dem gegnerischen Trainer zahlreiche Gemeinheiten auszutauschen.

 

Den Erlös überweist Jinny Becker nach dem Familienduell aufgerundet und stillschweigend an die Mannschaft ihres Sohnes. Da will sie am liebsten gar nicht drüber reden und bemüht sich um Haltung. „Die Kohle sollten sie am besten in einen neuen Trainer investie-ren.“ Mutter Becker tut alles, um die Stimmung vor dem nächsten Familien-duell anzuheizen. Sie will gewinnen.