Fußball ist wichtig

Matthias ist ein Mittelstürmer der alten Schule. Er lungert vor dem gegnerischen Tor rum, bewegt sich wenig und wartet auf seine Chance. Matthias hat das Down-Syndrom und außerdem einen großartigen Torriecher. Er kann zwar nicht sprechen, aber ein schönes Tor versteht jeder! Niemand feiert seine Tore so schön und so ausgiebig wie Matthias. Schon seit 25 Jahren steht er im Sturmzentrum der Torfabrik Meschede. In dieser Zeit hat der Publikumsliebling mehr als 1.000 Tore geschossen und nur ein einziges Foulspiel begangen. Von besonderen Spielertypen in einer eigentlich ganz normalen Fußballmannschaft handeln diese Seiten.


Die Spieler der Torfabrik gelten im gesellschaftlichen Sprachgebrauch als "Menschen mit geistigen Behinderungen". Wer den Fußball liebt, dem darf ein Handicap dabei nicht im Wege stehen. Fußball ist für alle da. Seit 1998 bietet die Torfabrik Meschede Menschen mit Handicaps aus dem Hochsauerlandkreis eine fußballerische Heimat. Bei der Torfabrik darf jeder spielen, der den Fußball liebt. Ganz egal, wie gut er - oder sie! - kicken kann. Hauptsache, die Leidenschaft stimmt.

 

Für alle Spieler ist Fußball ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Teil eines Teams zu sein und zum gemeinsamen Erfolg beizutragen, ist eine großartige Erfahrung. Als offenes Freizeitangebot ist die Torfabrik Meschede für die Spieler kostenlos und doch unbezahlbar. Fußballbegeisterten Menschen mit Handicaps die Ausübung ihres Sports und somit die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, ist das Ziel, für das die Torfabrik spielt und kämpft. Wenn auch der Spaß am Fußball und die Kameradschaft im Vordergrund stehen, zählt selbstverständlich der Leistungsgedanke: die Mannschaft will gewinnen! Immer. Taktische Zwänge gibt kaum. Jedes Spiel ist ein Spektakel. "Alles nach vorne, hinten hilft der liebe Gott", lautet die Devise.

 

Dass die Torfabrik dabei auch schon bittere Niederlagen erleiden musste, versteht sich wohl von selbst. Wieder aufstehen, Mund abputzen, weitermachen. Aus Fehlern lernen, sich verbessern, niemals aufgeben und sehen, dass sich leidenschaftlicher Einsatz lohnt und dass gemeinsame Siegesfeiern das Allerschönste sind. Im Fußball geht es immer weiter. Wie im richtigen Leben. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel und spätestens da ist schon wieder alles möglich. Dass niemand perfekt ist, wissen die Spieler und verlangen es auch nicht voneinander. So entsteht ein Klima, in dem Freundschaft wunderbar gedeihen kann. Teamgeist, Fairness, Konfliktfähigkeit, Zuverlässigkeit – das gemeinsame Fußballspielen vermittelt viele Dinge, die das Zusammenleben schöner machen können. 

 

Die Torfabrik Meschede spielt mit zwei Mannschaften im Ligabetrieb des Behindertensportverbandes NRW. Neben dem wöchentlichen Training veranstaltet die Torfabrik inklusive Freundschaftsspiele und Pokalturniere. Die Torfabrikanten präsentieren sich bei Stadt- und Sportfesten, treffen sich zu Mannschaftsabenden und feiern wilde Partys. Zum Team zählen aktuell rund 35 Spieler im Alter von 16-53 Jahren. Sie kommen vor allem aus Meschede, aber auch aus Schmallenberg, Eslohe, Olsberg, Sundern, Arnsberg, Neheim, Winterberg und Warstein. Zum "erweiterten Kader" zählen Freunde, Fans, Familienmitglieder und Partner. Längst gibt es mit den "Fairy Ultras" einen eigenen Supporters-Club, wilde Auswärtsfahrten in ausverkauften Fanbussen und einen erstligatauglichen Fanshop.

 

Der "Behindertenfußball" bietet geplagten Fanseelen nämlich eine echte Nische. Die Torfabrikanten versprechen ihren Anhängern zwar niemals Fußballfeinkost, aber stets Begeisterung auf Champions-League-Niveau. Ehrlicher kann Fußball nicht sein. Auch außerhalb des grünen Rasens ist die Torfabrik schwer aktiv. Sie beteiligt sich an Stadt- und Sportfesten und tritt auch selbst als Kulturveranstalter - zum Beispiel in Form von Rockkonzerten - auf. Regelmäßig kommen Mannschaft und Umfeld dabei mit anderen begeisterungsfähigen Menschen zusammen. Begegnungen schaffen Veränderungen, Gemeinsamkeiten werden entdeckt, Unterschiede verschwinden. Immer wieder setzt die Torfabrik damit zu kompromisslosen Tacklings gegen Ausgrenzung und Vorurteile an.