Woran merkt man als Westfale, dass der Herbst gekommen ist? Die Bäume verlieren ihre Blätter und, genau, Rot Weiss Ahlen entlässt mal wieder den Trainer. So geschehen mit Coach Andreas
Zimmermann, der im November letzten Jahres vom aktuellen Regionalligisten seinen Trainerstuhl vor die Tür gestellt bekam. Das erste "Angebot", das ihm noch am gleichen Tag auf den Tisch
flatterte, kam von der Torfabrik Meschede. Und: Zimmermann nahm an!
Die Welt ist nicht gerecht - und die Fußballwelt ist es oft noch weniger. Während sich das Trainerteam der Torfarbik trotz überschaubarem sportlichen Erfolg teilweise seit über 10 oder gar 20 Jahren immer noch fest im Sattel wähnt, reichen im Profifußball schon drei Niederlagen in Folge, um seinen Job zu verlieren. So erging es Proficoach Andreas Zimmermann vom Regionalligisten Rot Weiss Ahlen. Als ehemaliger Zweitligaspieler und Jugendtrainer übernahm "Zimbo", wie er genannt wird, seinen Herzensverein im November 2020 und rettete ihn vor dem Abstieg. In der nächsten Saison wurde er Tabellenzehnter, was schon ziemlich sensationell war, wenn man bedenkt, dass der ehemalige Zweitligist ganze 10 Jahre in einem Insolvenzverfahren feststeckte und jahrelang nur die allerkleinsten Brötchen backen konnte.
Und wenn das Geld fehlt, dann geht es auf allen Ebenen halt nur mit viel Herzblut und Leidenschaft. Als langjähriger Sympathisant des kleinen, kämpferischen Clubs aus dem Münsterland war es für Torfabrik-Coach Sebastian dann auch ein echter Schocker, als Amtskollege Zimmermann - jemand, der wie kein Zweiter für eben jenes Herzblut steht - nach zwei Jahren auf dem rot-weißen Trainerstuhl entlassen wurde. Der Zeitpunkt und die Umstände von Zimmermanns Entlassung bedeuteten für den Torfabrik-Coach nicht nur eine erhebliche Erschütterung in seiner Zuneigung zu RW Ahlen, sondern veranlassten ihn auch zu einer umgehenden und gefühlsbetonten Solidaritätsbekundung, die er mit einem "Angebot" verband: für Zimbo wäre immer ein Platz im Trainerteam der Torfabrik frei.
Nun ja, ob man's glaubt oder nicht: der ehemalige Profi (Hertha BSC und Union Berlin, SC Paderborn, Rot-Weiß Essen und LR Ahlen) ging nach einer kurzen Orientierungsphase auf das ungewöhnliche Angebot ein! Am vergangenen Montag, 20.Februar war es soweit: Zimmermann übernahm - ehrenamtlich und unentgeltlich - das Ruder bei der Torfabrik Meschede und leitete eine Trainingseinheit. Die Spielerinnen und Spieler waren begeistert und alle packten unter der Leitung des Profitrainers nochmal einige Schüppen drauf.
Als Typ "Motivator" bekannt, gelang es Zimbo sofort, die Torfabrikanten mitzureissen. In der zweistündigen Trainingseinheit wurden alle mächtig gefordert, ohne dass dabei der Spaß zu kurz kam. Der Profi zeigte sich dabei überaus tolerant, was die fußballerischen Feritigkeiten der Torfabrikanten anbelangte. "Suuuper, Pille! Schöööön mit der Pike!", fand Zimbo für jeden die richtige Ansprache. Anspornen, loben, Schultern klopfen, abklatschen im Sekundentakt. Gewiss hat Zimbo, der auch bereits den Wuppertaler SV, Rot-Weiß Oberhausen und Carl Zeiss Jena trainierte, schon besseren Fußball gesehen, die bedingungslose Begeisterung der Torfabrikanten überzeugte ihn aber sofort zu 100 Prozent. Mit seiner Art der Ansprache zog Zimbo die Spielerinnen und Spieler immer wieder in seinen Bann. Nach einem spaßigen Aufwärmprogramm wurden die Technik geschult und in verschiedenen Übungsformen Torschabschlüsse trainiert. Den Keepern Junes und Tim glühten mächtig die Pfoten.
Dabei stellte sich Zimmmermann als gelernter Innenverteidiger selbst als Gegenspieler zur Verfügung, den es auf dem Weg zum Torerfolg zu überwinden galt. Der Hinweis des Trainerteams "Vorsicht, Leute! Der Mann hat in seiner Karriere 42 gelbe Karten und 7 Platzverweise kassiert", prallte an den Torfabrikanten ab. Mittelfeld-Maradonna Fabian gelang sogar ein Beinschuss, was Zimbo glücklicherweise sportlich unbeantwortet ließ. Immer wieder ging er mit den Torfabrikanten in den Clinch. Die Zweikampfbereitschaft Zimmermanns erstaunte. "In all den Jahren sind wir noch nie auf die Idee gekommen, unseren Spielern von hinten unter die schwitzigen Achseln zu greifen", zeigte sich das Trainerteam ungläubig.
Eine gut gemeinte Mahnung, die der gebürtiger Berliner Zimmermann einfach wegwischte: "Ach, dit is Fußball, wa." Ein toller Tag mit einem tollen Typen, der allen einen Mordsspaß bereitet hat. Wenn nicht bald ein internationaler Topclub bei Zimbo anklingelt, was ihm die Torfabrikanten zum Abschied alle herzlichst wünschten, ist eine Wiederholung definitiv nicht ausgeschlossen.