"Wir machen die Zuschauer zu Bandmitgliedern"

Vor der großen Rock'n'Roll-Jubiläumsgala zum 25-jährigen Bestehen der Torfabrik Meschede traf unser Coach nun Bandleader und Mastermind Andreas Diehlmann zum Interview. Ausnahmsweise geht es dabei mal nicht um Fußball, denn davon hat der Gitarrengott "echt keine Ahnung". Dafür spricht der Maestro über die Entstehung sperriger Bandnamen, seine liebsten Konzertbühnen, musikalische Erweckungserlebnisse und wie wichtig ihm die Einbindung des Publikums ist - selbst dann, wenn es nur aus drei Zuschauern bestehen sollte.

Freuen sich auf ihren Auftritt in Meschede am 26-8-23: Bassist Jörg Sebald, Bandleader Andreas Diehlmann und Drummer Tom Bonn

Sechs Studioalben in sechs Jahren plus eine Liveplatte und ein Best-Of-Album, deine Karriere mit der eigenen Band hat ja eher spät begonnen, dafür aber gewaltig. Gab’s da bei dir eine Initialzündung, einen Punkt, wo du gesagt hast: „So, jetzt lege ich richtig los“?

Ja, eigentlich gab es sogar zwei Initialzündungen. Ich habe davor ein paar Jahre in der Tourband der amerikanischen Sängerin Sydney Ellis gespielt. Und als ich da ausgestiegen bin, dachte ich: das kann ich doch auch. Parallel dazu habe ich schon immer in Old-School-Bluesbands gespielt. Und da kommt der zweite Teil der Geschichte: mit einer dieser Bands habe ich bei der Zeitschrift „Blues News“ – die haben immer so eine CD im Heft – angefragt, ob wir mal ein Stück für eine ihrer CDs machen können. Weil meine damaligen Bandkollegen aber nicht so richtig aus dem Kreuz gekommen sind, habe ich dann einen Song zuhause komplett alleine aufgenommen, ihn dahin geschickt und bin, siehe da, bei der Leserwahl unter die Top 3 gekommen. Ich merkte also: Ey, das kommt ja gut an! Dafür bekam man dann im nächsten Heft noch eine halbe Seite, ein Interview und Werbung, aber eigentlich hatte ich ja gar keine richtige Band. Und da war dann klar: jetzt muss ich neu anfangen und daraus ist dann die Andreas Diehlmann Band entstanden.

 

Gab’s mal die Idee, das Projekt anders zu nennen?

Wir hießen damals „Madison Bluesband“, was ja eigentlich ein cooler Name war. Aber dann ruft da plötzlich irgendein Verrückter an, der sagt: „He, das ist doch mein Name. Habt ihr nicht im Rocklexikon Lüneburg von 1982 nachgelesen, da steht das doch drin.“ Da mussten wir uns anders nennen. Und dann gab es eine unserer legendären Abstimmungen und die Kollegen meinten, man wolle jetzt „The Soulfood Syncopaders“ heißen.

 

Da hätte man ja ein sprachwissenschaftliches Studium gebraucht, um die Band anzusagen.

Genau, das auch. Aber die Andreas Diehlmann Band ist vor allem daraus entstanden, dass ich echt die Schnauze voll hatte, dass ich ständig als treibende Kraft für die damalige Band Stücke schreiben, alles machen und den Laden zusammenhalten musste und dann war man gerade soweit, dass man durchstarten konnte und es schoss wieder jemand quer, das Ganze ging in die Hose und du fängst wieder von vorne an. Das war der Grund, warum ich das Ding Andreas Diehlmann Band genannt habe. Da ist dann klar: das ist mein Ding, meine Band und ich kann damit machen was ich will.

 

 

Ihr seid vom hohen Norden bis in den tiefen Süden auf Tour, von der polnischen Grenze rüber nach Holland und weiter in die Schweiz. Wie viele Konzerte spielt ihr im Jahr und wie viele Kilometer kommen da so zusammen?

In diesem Jahr sind es 45 Auftritte. Insgesamt kommen wir auf ungefähr 17.000 Kilometer. Wir spielen ja vor allem an Wochenenden. Da kommen dann von Freitag bis Sonntag schon mal 1.500 Kilometer zusammen.

 

Was ich in unserem Gespräch von vornherein ausspare, ist das Thema Fußball. Darüber muss ich mich mit dir ja nicht unterhalten. Was bewegt euch aber, auf dem 25-jährigen Jubiläum einer Behindertenfußballmannschaft zu spielen? Das ist doch für euch ein eher ungewöhnliches Setting.

Ja, das ist wahrscheinlich ein ungewöhnliches Setting, aber du hattest mir in Verbindung mit eurer Anfrage damals eure Torfabrik-Zeitschrift mitgegeben. Ich habe die mit großer Begeisterung von vorne bis hinten durchgelesen und ich fand’s megatoll. Das hat mir richtig Spaß gemacht. Das ganze Projekt gefällt mir supergut. Ich freue mich schon sehr drauf und das wird bestimmt toll.

 

 

Was macht für deine Band ein gelungenes Konzert aus, so dass ihr hinterher sagt: „Boah, das war cool“?

Das kommt immer sehr stark auf die Energie an, die das Publikum hat. Wenn das Publikum so richtig dabei und der Platz vor der Bühne sofort voll ist, dann weiß ich: das wird auf jeden Fall ein gutes Konzert. Mittlerweile stelle ich fest, dass es immer mehr Leute gibt, die unsere Songs kennen und mitsingen. Das ist immer ein tolles Gefühl, wenn so eine Energie zwischen Band und Publikum entsteht.

 

 

Was war die größte Zuschauerzahl, vor der ihr mal gespielt habt?

Wir sind zweimal bei einer Konzertreihe am Saarbrücker Schloss zu Gast gewesen. Da sind dann immer so ungefähr 1.600 Leute.

 

 

Und die geringste Zuschauerzahl?

Das dürften mit der jetzigen Band ungefähr 15 gewesen sein. Mit einer meiner vorherigen Bands habe ich mal vor 3 Zuschauern gespielt. Aber solche Auftritte braucht man als Band auch. Das bringt einen weiter, wenn man vor 15 Leuten genauso viel Gas gibt wie vor 1.600. Doof ist es für den Künstler nur, wenn man merkt, dass es das Publikum überhaupt nicht interessiert, was du da auf der Bühne machst. Aber auch dann musst du als Band funktionieren.

 

Das Sauerland ist bisher ja eher ein weißer Fleck auf eurer Tourkarte. In Schalksmühle seid ihr bald zum zweiten Mal zu Gast, aber das ist für den Hochsauerländer ja auch eher „Zonenrandgebiet“.

Im nächsten Jahr spielen wir aber auf jeden Fall in der Balver Höhle. Das wird bestimmt richtig cool. Auf diese Location sind wir natürlich schon sehr gespannt und es ist toll, dass wir von den Veranstaltern dazu eingeladen worden sind. Aber es gibt natürlich auch weiße Flecken auf der Karte, weil es da an Clubs und Bühnen in geeigneter Größe mangelt. Oft sind die Bühnen zu klein oder aber zu groß, so dass sich beides für die Veranstalter kaum lohnt.

 

Hast du eine Lieblings-Konzertbühne?

Das ist schwierig. Vom Publikum her ist es in der "Torburg" in Köln immer mega. Da sind sie immer irre gut drauf und sofort dabei. Allerdings ist die Bühne da winzig klein, so dass wir da zu dritt kaum draufpassen. Hier bei uns in Kassel spielen wir oft im "Theaterstübchen". Tolle Bühne, toller Sound, aber da ist das Publikum manchmal ein bisschen zu brav. Aber so ist der Nordhesse halt.

 

Wir Sauerländer sind ja bekanntlich die „Brasilianer unter den Westfalen“. Wenn’s was zu feiern gibt, sind wir am Start. Bei euren Konzerten gibt es immer wieder Mitmach-Parts für das Publikum. Wie wichtig ist es dir, das Publikum in eure Songs und die Show miteinzubeziehen?

Das ist uns in der Tat sehr wichtig, weil das die Leute natürlich viel mehr mitnimmt. Mir selbst macht das unheimlich Spaß und ich finde es wichtig, dass die Leute hinterher sagen: das hat Spaß gemacht und ich habe mich gut amüsiert. Wenn man zusammen mit dem Publikum Musik macht, das ist immer ein besonderer Moment. Da wird der Zuschauer ja sozusagen zu einem Bandmitglied und das finde ich – zum Beispiel bei unserem Stück „Soulshine“ – besonders schön.

 

 

Gibt es irgendwas, von dem du sagst: da will ich mit meiner Band unbedingt nochmal hin? Ein großes Festival spielen oder aufs Titelblatt vom „Rolling Stone“-Magazin?

Nee, nicht unbedingt. Schön wäre es – und dieses Ziel zu erreichen ist schon schwierig genug - wenn wir kreuz und quer durch Deutschland fahren und überall stehen immer 200 Leute. Das klingt jetzt vielleicht blöd als Ziel, aber das unterschätzen die meisten Leute. Wenn wir irgendwohin auf die Schwäbische Alb fahren und du weißt definitiv, dass diese 200 Leute da sind. Davon sind wir mittlerweile aber auch schon gar nicht mehr so weit entfernt.

 

 

Du kannst mittlerweile von deiner Musik leben.

Ich produziere meine Musik in meinem eigenen Studio und organisiere auch den Vertrieb selbst. Früher habe ich noch viel Werbemusik komponiert, war Studiomusiker und Gitarrenlehrer. Heute habe ich vielleicht noch 10 Gitarrenschüler und mit der Zeit hat sich das gewandelt. Den Gitarrenunterricht betreibe ich mittlerweile eher hobbymäßig.

 

 

Stammst du aus einer generell musikbegeisterten Familie?

Nee, gar nicht. Ich schlage da vollkommen aus der Art. Mein Großvater vielleicht, der hat eine „singende Säge“ gespielt und das soll wohl ziemlich grausam gewesen sein.

 

Unlängst schrieb ein Fachblatt über deine Musik, du spielst „den besten Texas Blues, der nicht aus Texas kommt“. Was war dann dein musikalisches Erweckungserlebnis?

Erweckungserlebnisse gab es gleich mehrere. Was natürlich einen großen Einfluss auf mich hatte war ZZ Top, was man ja auch in unserer Musik durchaus hören kann. Aber ein sehr großer Einfluss, der ganz stark in unserer Musik drinsteckt, ist AC/DC. Dieses Straighte, das Geradeaus, kein Firlefanz, das ist so dieses AC/DC-Ding, was wir haben. Das ist eigentlich unser Kern.

 

Zusammen mit deinem Kumpel Robert Brübach betreibst du den Podcast „Die ADB-Bluesrock Show“, ein Quell der Inspiration für Freunde handgemachter Rockmusik. Da lernt man als Fan Sachen kennen, die man sonst wahrscheinlich nie entdecken würde.

Ja, der Robert ist da echt ein Freak. Der kennt Sachen, das glaubt man nicht. Irgendwelche Bands, die 50 monatliche Hörer auf Spotify haben, aber er kennt die längst, weil er sich von denen schon 1997 in einem New Yorker Plattenladen mal eine CD gekauft hat. Unser Podcast hat ein interessantes Konzept, denn Robert ist vor allem Fan, ein „einfacher Musikkonsument“, der die Musik nicht selber macht und so hat jeder von uns beiden eine ganz andere Sicht auf die Musik, die wir präsentieren.

 

 

Wie stehst du generell zu Streaming-Plattformen wie Spotify?

Es kommt immer mal wieder vor, dass wir auf Konzerten Leute treffen, die sagen: „Hey, ich habe eure Musik als Vorschlag bei Spotify bekommen“. Aber das Problem ist, dass das alles so zerfasert. Du hast dann tausend Sachen, aber du bekommst mit nichts eine wirkliche Verbindung. Man sieht das oft am Verhältnis zwischen Hörern und Followern. Da hat irgendein Song vielleicht 100.000 Hörer, der Künstler aber nur 5.000 Follower. Das rauscht dann auf irgendeiner Playlist durch, die Leute finden das auch gut, hören sich aber nicht mehr Material von der Band an. Frag mal ‘nen Fünfzehnjährigen, was er für Musik hört. Dann sagt der: „Spotify“. Es gibt immer weniger Bindungen an einen Künstler oder die Aussage, die ein Künstler hat. Das ist das große Problem. Spotify erzieht junge Leute zu einem generischen Musikgeschmack, der eigentlich gar keiner ist.

 

 

Bei welcher Musik schaltest du definitiv ab?

Au, eigentlich bei keiner. Ich höre im Grunde genommen alles. Außer dieser Autotune-Pop mit diesem immergleichen Beat, da wird es für mich schwierig. Als Musiker nehme ich aber oft auch alles gedanklich auseinander. Darum höre ich meist eher schwierigere Musik wie Jazz, aber auch Klassik. Als Studiomusiker habe ich zum Beispiel auch oft die Gitarren auf Schlager draufgespielt. Darum höre ich mir auch durchaus Schlager an, weil ich immer wissen will, wie’s gemacht ist. Es ist bei mir immer eine Mischung aus professionellem Interesse und der Leidenschaft für solche Musik, die ich eigentlich früher schon immer gehört habe.

 

 

So lange es die Andreas Diehlmann Band gibt, lautet die beruhigende Botschaft also: Rock’n’Roll will never die!

Genauso ist es.