Hoher Besuch im Dünnefeldstadion. Hendrik Wüst, Ministerpräsident unseres hübschen Bundeslandes, schaute beim Training vorbei. Wir haben die Gelegenheit genutzt und unserem Landesvater einen umfangreichen Forderungskatalog zur Verbessserung der gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen untergejubelt. Vor Schreck verschoss der Ministerpräsident gleich drei Elfmeter in Folge.

Seit dem frühen Morgen war der Ministerpräsident unterwegs und besuchte auf seiner Rundreise durch Südwestfalen High-Tech-Unternehmen und Weltmarktführer. Irgendwo dazwischen: Meschede und die Torfabrik. Laut Ministerpräsident sei die Torfabrik in Sachen gelungener Inklusion "landesweit herausragend". Man war bemüht, die Schmeicheleien ebenso treffsicher zurückzugeben. Er sei ja immerhin auch "Bundeskanzler der Herzen", meinte der Trainer, diagnostizierte beim prominenten Besucher aus dem Münsterland im gleichen Atemzug allerdings "mangelnden sportlichen Ehrgeiz in Kanzlerfragen". Dass Landesvater Wüst unmittelbar darauf gleich drei Elfmeter verschoss, passte da ins Bild.
Auch sonst lief der Besuch äußerst entspannt und wertschätzend ab. Beim wöchentlichen Montagstraining war wenig anders als in den über 1.000 vorangegangenen Einheiten der letzten 27 Jahre. Außer, dass es Kaffee und Kuchen gab. Bei sommerlichen Temperaturen lief die Mannschaft schnell heiß und präsentierte sich gut aufgelegt.
Dass sich diese Trainingseinheit dann für die Dauer einer guten Stunde alsbald in ein echtes Happening verwandeln würde, kündigte sich erst mit dem Erscheinen der Personenschützer an. Nachdem diese sich von der Friedfertigkeit aller Anwesenden überzeugt hatten (unbedacht, aber gut gemeint hatte der Trainer zuvor Unterstützung durch "vereinseigene Scharfschützen" angeboten), dauerte es nicht mehr lange bis zum Erscheinen des Ministerpräsidenten.
Nach einer kurzen Begrüßung waren die meisten Torfabrikanten mit dem Landesvater bereits per Du. Im Vereinsheim des SSV Meschede folgte eine Unterredung mit dem Trainerteam und weiteren Gästen. Bürgermeister Christoph Weber, Claudia Bertels als Direktorin vom Städtischen Gymnasium und Martin Kettler als Präsident des SSV Meschede zeigten auf, was in Meschede so alles in Sachen Inklusion läuft. Städtebaulich, aber auch in den Schulen und im Sport. Das Engagement aller Beteiligten verknüpft sich dabei in den Spielen um den Mescheder Weltpokal im September.
Da Hendrik Wüst dank der umsichtigen Vorbereitung der Torfabrik top informiert war und bereits alles über selbige wusste, konnte man sich eine zeitintensive Vorstellung und das Eigenlob praktischerweise sparen. Denn wenn man schon die Gelegenheit hat, mit dem Ministerpräsidenten unter 4 (bis 40) Augen zu sprechen, dann sollte man sie auch nutzen. Taktisch entschied man sich dabei ausnahmsweise mal gegen die totale Offensive. Stattdessen hatte man dem Ministerpräsidenten einen Brief geschrieben. Darin: einige verheerende Beispiele für die Verhinderung von Inklusion und Vorschläge wie man manches besser, gerechter und einfacher machen könnte.
Dazu gehört an erster Stelle die Forderung nach einem Bildungs- und Teilhabepaket für arme und von Armut bedrohte Menschen mit Behinderungen. Alternativ auch gerne ein auskömmliches Einkommen, um z.B. den Mitgliedsbeitrag im Sportverein selbst bezahlen zu können. Aber auch das Verlangen nach einem "Weiterbildungsgesetz" für Werkstattbeschäftigte, das diesen neben dem Zugang zu politischer Bildung auch den Besuch von lebenspraktischen Kursen und Seminaren sowie inklusiven Netzwerkveranstaltungen ermöglicht, haben wir dem Landesvater in den Umschlag gepackt. Und noch einiges mehr. Wer weiß, ob das nicht vielleicht der Beginn einer intensiven Brieffreundschaft ist.
Am Ende war's ein wirklich besonderer und spannender Tag. Die Spielerinnen und Spieler halfen dem Medienteam des Ministerpräsidenten gerne dabei, reichlich emotionalen Content zu erzeugen. Die Kuscheleinheiten, die einige Torfabrikanten Hendrik Wüst dabei verpassten, waren jedenfalls echt und nicht gestellt. Selbst als Starspieler Peter "Pille" Bartsch ihn höchstpersönlich in Manndeckung nahm, blieben die Personenschützer tiefenentspannt.
Ein wirklich sehr nettes Zeugnis von diesem Tag hat dabei Steffi Schneider als Reporterin von Radio Sauerland mit ihrer Berichterstattung abgelegt. Das könnt und müsst Ihr Euch hier anhören!
Auch Elmar Redemann vom Sauerlandsport der Westfalenpost hat unser Wirken in einem wahrhaft opulenten Artikel gewürdigt und den Tag mit dem Minsterpräsidenten sehr hübsch beschrieben. Kleine Anmerkung zum Artikel in eigener Sache: Unsere Kritik bezieht sich auf die "Systeme" Arbeitswelt und Pflege und möge nicht als pauschales Urteil über die unzähligen Menschen gelten, die täglich - ob in den Werkstätten oder in den Wohneinrichtungen - ihr Bestes für Menschen mit Behinderungen geben. Auch kritisieren wir nicht die Höhe der Mitgliedsbeiträge in Fußballvereinen, sondern bemängeln, dass Menschen mit Behinderungen nicht in die Lage versetzt werden, sie sich leisten zu können.